
Ich bin eine gute Studentin. Streber heißt es auch oft. Und das stimmt auch. Ich bin ein Streber. Ich gebe mir Mühe. Viel Mühe sogar. Ich habe momentan einen hervorragenden Notendurchschnitt, den es zu halten gilt. Gar nicht so einfach im Bachelor. Jede Modulprüfung zählt, keine kann rausgewählt, nicht gewertet oder wiederholt werden. Dabei sind Noten doch so wichtig für den Abschluss. Es gilt also jede Prüfung bestmöglich zu bestehen. Das baut Druck auf. Dieser wiederum ist nicht wirklich förderlich beim Klausuren schreiben.
In der 11. Klasse war ich mathebesessen. Ich hatte so unglaublich viel Spaß an Mathe, dass ich sogar darüber nachdachte Mathe als Leistungskurs zu wählen. Aber die 11 erreichten Punkte waren meiner damaligen Lehrerin nicht genug und sie riet mir ab. Das hat was mit mir gemacht. Ich war enttäuscht, habe es aber so hingenommen. Mathe war seit diesem Tag nicht mehr interessant und ich war der festen Überzeugung, eine Niete in Mathe zu sein. Die Noten fielen auf 5 Punkte ab. Gerade so bestanden.
In meiner Ausbildung war Rechnungswesen und Buchhaltung mein liebstes und bestes Fach. Bei dem Vorbereitungskurs zur Abschlussprüfung habe ich sogar an einer Stelle ein vereinfachtes Rechenmodell aufgestellt und so vielen Ärger erspart. Die Dozenten waren baff. Ich bin fit in Mathe und mit Zahlen. Es gibt nichts Schöneres als mit Zahlen zu jonglieren. Fehler in Rechnungen zu finden. Da geht mir das Herz auf!
Informatik hat viel mit Mathe zu tun. Innerhalb meines Studiums habe ich zwei große Matheprüfungen geschrieben. Die erste Matheklausur war ein voller Erfolg und eine absolute Bestätigung dessen, was ich schon damals wusste: ich kann das. Ich habe eine 1.0 geschrieben. Das muss man erstmal schaffen. In Mathe. Dem Angstfach schlechthin.
Ja ich bin stolz auf mich. Es war wie eine längst überfällige Bestätigung für einen großen Teil meiner Persönlichkeit.
Ich habe mich dann erstmal auf andere Module konzentriert, zwei Kinder bekommen, gearbeitet, gelebt… und dann kam die zweite und letzte große Matheprüfung. Ich war gut vorbereitet. Sehr gut sogar. Kurvendiskussionen sind schön, leicht sogar wenn man das Prinzip verstanden hat und, wie so oft in Mathe, durch ein einfaches Regelwerk zu bewältigen. Der Tag der Prüfung kam…und es ging alles schief. Die Nacht davor war durchwachsen durch ein zahnendes Baby, einem Mann, der mit den Nachbarn spontan zu tief ins Glas gesehen hatte, allgemeine Verspannungen und … der immens großen Angst, einfach zu versagen. Ich träume noch heute von der Prüfung. wie ich in dem Raum sitze, gut sortiert, alles im Kopf. Und dann durfte ich mir die Aufgaben das erste Mal durchlesen und wusste nichts mehr. Absoluter Black-out. Da half auch kein Traubenzucker mehr. Nach 15 Minuten Rechnerei, habe ich alles wieder durchgestrichen. Wenn die Ergebnisse zu ungerade werden, stimmt was nicht. „Los Laura, Du hast das tausend Mal gerechnet! Es ist nicht schwer!“, sage ich zu mir selbst. Und weiß die Lösung trotzdem nicht. Ich habe zwischendurch sogar durch Null geteilt. Durch NULL! Das war keine Leistung. Zumindest nicht meine. Ich hab alles beantwortet und abgegeben.
Nach 1-2 Wochen kam das Ergebnis. Schlecht. 3,7. Gerade so bestanden. Nicht änderbar. Diese Note steht jetzt neben allen anderen Mathenoten. Sehr guten Mathenoten. Sehr gute Mathenoten und das schwarze Schaf. „Na und, Du hast bestanden!“, „Egal Laura, das interessiert doch niemanden mehr!“, „Sei froh! Ich kann Mathe auch überhaupt nicht….!“ – nein, nein und nochmals nein. Nein, ich habe nicht nur bestanden, sondern schlecht. Und doch, es interessiert mich! Und doch, ich kann Mathe!
Ich würde diese Klausur gerne wiederholen. 2 Jahre habe ich in Gedanken diese Klausur vorbereitet. Bestimmt ein halbes Jahr gelernt, rauf und runter. Und zum Schluss hat mir mein eigener Druck ein Bein gestellt. Leider habe ich bestanden. Einen neuen Versuch erhalte ich deshalb nicht.
Verpatzte Chance. So fühlt sich das an.
Es ist jetzt wie es ist. Ärgern tut es mich trotzdem. Ich hab tatsächlich oft über ein zusätzliches Mathe-Zertifikat nachgedacht, was einfach beweist, dass ich es kann. Ich habe sogar mit der Studienberatung darüber gesprochen. „Personaler sehen das nicht so eng“, heißt es. Es sei doch menschlich. Hm gut, denke ich mir und versuche das ganze Drama irgendwie zu verarbeiten. Es ärgert mich bis heute – die Note liegt nun schon eine Weile in der Vergangenheit. Ich hoffe einfach sehr, dass sämtliche Personaler dieser Welt diese Note als „menschlich“ ansehen und als „Hauptsache bestanden“. Und ich hoffe, dass ich – sollte ich je in einem Vorstellungsgespräch darauf angesprochen werden – spontan eine lustige Antwort habe und selbstsicher darüber lächeln kann. Schon bisschen verbohrt bin ich, was?
Salut et à bientôt, Laura